Start in die neue Kakaoernte-Saison unter besonderen Bedingungen
Der 1. Oktober ist der Internationale Tag Kakao und Schokolade. Die Internationale Kakaoorganisation (ICCO) hat diesen Tag mit Bedacht gewählt, denn er markiert den Start in die Kakaoernte-Saison in den Hauptanbauländern Westafrikas: Côte d’Ivoire, Ghana und Nigeria. In Deutschland beginnt im Oktober die kühlere Jahreszeit und damit auch die Schokoladen-Saison.
Bedingt durch die weltweite Corona-Pandemie erwartet die ICCO für dieses Jahr (2019/2020) leicht sinkende Ernteerträge. Auch in Westafrika wurden weitreichende Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion mit Covid-19 getroffen. Die Johns Hopkins Universität (Maryland, USA) zählt in Nigeria mehr als 58.000 Infektionen, in Ghana mehr als 46.000 und in der Côte d’Ivoire rund 20.000 (Stand 30. September 2020). Mit massiven Reisebeschränkungen, Grenzschließungen und zum Teil auch Ausgangssperren versuchten die afrikanischen Länder die Pandemie zu stoppen. Der internationale Flughafen von Accra (Ghana) zum Beispiel wurde erst am 01. September 2020 wieder geöffnet.
Wie die Situation in der Côte d’Ivoire ist und welche Erwartungen Kakaobauern an die Kakaoernte-Saison haben, darüber haben wir mit Sonia Lehmann gesprochen. Sie ist Projektleiterin von PRO-PLANTEURS, einem Projekt, das gemeinsam vom Forum Nachhaltiger Kakao, der Bundesregierung und der ivorischen Regierung umgesetzt wird. In dieser Funktion steht sie im kontinuierlichen Kontakt zu Kakaobauern und Kooperativen in der Côte d‘Ivoire. PRO-PLANTEURS hat sich zum Ziel gesetzt, das Leben von Kakaobauern und -bäuerinnen und ihren Familien zu verbessern. Insgesamt 30.000 Familienbetriebe und deren Kooperativen sind dem Projekt angeschlossen.
schokoinfo.de: Am 01. Oktober ist der Internationale Tag Kakao und Schokolade, wie verbringen Sie den Tag?
Sonia Lehman: Ich bin seit zwei Wochen als Projektleiterin hier vor Ort in Abidjan, dem wirtschaftlichen Zentrum der Côte d‘Ivoire. Ich gewöhne mich also gerade an den Arbeitsalltag vor Ort und richte mich ein. Neben Schokolade findet man hier auch Kakaobohnen in verschiedenen Variationen, zum Beispiel geröstet oder mit Ingwer ummantelt, mit denen man diesen Tag genießen kann.
schokoinfo.de: Ist dieser Tag auch in der Côte d’Ivoire bekannt?
Sonia Lehman: Ja. Hier findet jedes Jahr eine große international besuchte Messe statt, die Journée Nationale du Cacao et du Chocolat. Sie wird von unserem Partner vor Ort, dem ivorischen Kaffee-Kakao Rat jährlich organisiert. Die Messe geht über drei Tage, vom 01. bis zum 03. Oktober. Sie bietet vor allem Fachbesuchern Vorträge, Fachinformationen und Austausch. Für das allgemeine Publikum ist interessant zu sehen, welche nationalen Produkte aus Kakao es gibt. Die Menschen können viel erfahren über den Kakaoanbau und die Verarbeitung.
Ganz wichtig ist diese Messe auch für die Bauern, denn hier wird der Preis für die anschließende Erntesaison durch den Kaffee-Kakao Rat offiziell verkündet. Das Einkommen des Großteils der Kakaobauern in Côte d´Ivoire liegt unter der Armutsgrenze und ca. 60 % ihres Einkommens stammen vom Kakaoanbau.
schokoinfo.de: Erwarten die Kakaobauern eine gute Erntesaison?
Sonia Lehman:Ja, die Prognosen für die Saison sind gut. Lange sah es nicht so gut aus, es war sehr trocken. Aber dann kam der Regen, und darüber waren alle sehr erleichtert.
schokoinfo.de: Die Covid-19-Pandemie hat auch die Côte d’Ivoire erreicht. Welche Auswirkungen hat Corona auf die Arbeit von PRO-PLANTEURS?
Sonia Lehman: Hier in Côte d’Ivoire gab es sehr früh und konsequent Reisebeschränkungen von zum Beispiel Abidjan ins Inland. Das hatte Auswirkungen auf PRO-PLANTEURS. Projektaktivitäten wie Trainings und Coachings wurden zum Schutz der Produzenten und Produzentinnen und der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von PRO-PLANTEURS bereits Ende März weitgehend eingestellt.
Mit Unterstützung der Mitglieder des Forum Nachhaltiger Kakao konnten wir 35 Kooperativen und 16 Frauengruppen aus dem Projekt mit Hygieneausrüstung, Handwaschsets und Mundschutz, versorgen. Das erforderte unter den noch gegebenen Einschränkungen eine ziemliche Logistik, bis alles vor Ort war. Die Verteilung haben wir dann genutzt, um die Empfänger auch noch einmal für die Risiken der COVID-19-Pandemie sowie für die Umsetzung von Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung zu sensibilisieren.
schokoinfo.de: Können Sie die Betriebe/Farmer trotz der Pandemie besuchen?
Sonia Lehman: Über die ersten Monate war das ausgeschlossen. Die Menschen hatten große Angst vor Ansteckung und haben sich teils auch aus ihren Gemeinschaften zurückgezogen. Die Lage hat sich inzwischen aber soweit normalisiert, dass wir Trainings mit den Bauern und Bäuerinnen in kleineren Gruppen wieder durchführen können. Wir sind natürlich bei allen Aktivitäten zusammen mit den Kakaobauern und -bäuerinnen immer sehr darauf bedacht, alle Vorsorgemaßnahmen zu beachten.
schokoinfo.de: Vor welchen neuen Herausforderungen stehen die PRO-PLANTEURS Kakaobauern durch Corona?
Sonia Lehman: In den letzten Monaten war in der Côte d‘Ivoire die Nebenerntesaison für Kakao. Währenddessen hatten die Bauern Schwierigkeiten mit dem Transport der Kakaobohnen von ihrem Betrieb zur Kooperative und von da aus zum Hafen in Abidjan oder San Pedro. Auch der Hafens- und Schiffsbetrieb war eingeschränkt. Ab Oktober startet die Haupterntesaison. Wir rechnen weiterhin mit Verzögerungen im Transport bis zum Hafen und mit einer verlangsamten Abfertigung des Kakaos für den Export. Für die Bauern heißt das vor allem ein späteres Eintreffen ihrer Zahlungen und damit Finanzierungsengpässe.
schokoinfo.de: Wie begleitet PRO-PLANTEURS die Erntesaison?
Sonia Lehman: Die 35 Kooperativen, mit denen wir zusammenarbeiten, durchlaufen ein intensives Schulungsprogramm, um sich zu professionalisieren. Die geschulten Kooperativen sind in der Lage agiler und effizienter zu agieren, zum Beispiel indem sie mögliche Transport- oder Zahlungsschwierigkeiten vorhersehen und rechtzeitig entgegensteuern. Vor dem Start der Ernte bietet unser Projekt den Kooperativen zusätzliche Beratung in den Vorbereitungen für eine reibungslose Saison.
Auf der anderen Seite unterstützt unser Projekt die Kakaobauern und -bäuerinnen durch Schulungen zu guter landwirtschaftlicher Praxis beim Anbau, bei der Ernte und Nachernte, wodurch die Produktivität und Qualität des Kakaos steigt, sowie zu Betriebsmanagement. Beide Schulungen bewirken ebenfalls die Professionalisierung von Kakaobetrieben.
schokoinfo.de: Welche nächsten Projektschritte sind vorgesehen?
Sonia Lehman: PRO-PLANTEURS hat mit guten Ergebnissen im Mai eine erste fünfjährige Projektphase abgeschlossen. Die jetzt begonnene zweite Phase wird weitere 10.000 Kakaobauern und -bäuerinnen und deren Kooperativen hinzunehmen, so dass wir dann mit insgesamt 30.000 Bauern und Bäuerinnen zusammenarbeiten werden. Wir nehmen in all diesen Trainings auch neue Erkenntnisse und Lernerfahrungen aus der ersten Phase auf. Für die Frauen gibt es außerdem spezielle Trainingsmodule und Beratungen, um ihr eigenes Einkommen zu verbessern.
Außerdem werden wir mit einigen Unternehmen und NGOs aus dem Kreis der Mitglieder des Forum Nachhaltiger Kakao ausgewählte Projekte umsetzen, um PRO-PLANTEURS noch breiter und wirkungsvoller aufzustellen. Über diese Projekte werden wir zusätzliche Bauern und ihre Familien unterstützen können. Auch dafür haben wir noch einiges an Planung vor uns.