Fragen an einen Klimaexperten
Kakao ist die Grundlage für Schokolade. Bereits heute wirkt sich der Klimawandel auf den Kakaoanbau aus und stellt somit die Existenzgrundlage von Millionen Kleinbauern infrage. Darum wir wollen herausfinden, was die Forschung dazu sagt und wie man den Kakaoanbau in Zukunft sichern kann. Um diese Frage zu ergründen haben wir mit Dr. Bunn gesprochen. Er ist seit 2010 Wissenschaftler am Internationalen Zentrum für Tropische Landwirtschaft (CIAT, eine von 15 Forschungseinrichtungen der Consultative Group on International Agricultural Research CGIAR, mit Sitz in Rom; Anm. d. Red.), und hat uns über weitere Klimaänderungen und deren Folgen für die Ernte und Qualität aufgeklärt.
Schokoinfo: Hallo Herr Dr. Bunn, können Sie uns einen Überblick über Ihre Arbeit geben? Was genau erforschen Sie?
Dr. Bunn: Ich bin Agrarökonom und meine Forschung konzentriert sich auf die Auswirkungen des Klimawandels auf Dauerkulturen wie Kakao und Kaffee. Die Kakaopflanzen werden über viele Jahre hinweg angebaut und erfordern langfristige Entscheidungen. Meine Aufgabe ist es, herauszufinden, wie der Klimawandel diese Pflanzen beeinflusst und welche Maßnahmen wir ergreifen können, um den Anbau nachhaltig zu gestalten. Ich möchte sicherstellen, dass Anpassungsstrategien systematisch in die Kakao-Wertschöpfungskette integriert werden, damit der Anbau auch in Zukunft gesichert ist.
Bild 2 – Unser Interviewpartner: Dr. Christian Bunn
Schokoinfo: Welche spezifischen Herausforderungen bringt der Klimawandel für den Kakaoanbau mit sich?
Dr. Bunn: Kakao ist eine Dauerkultur, was bedeutet, dass die Pflanzen im Feld oft 20 bis 50 Jahre alt werden. Erste Erträge sind auch erst nach drei bis fünf Jahren zu erwarten. Gleichzeitig ist die Kakaopflanze aber sehr empfindlich und bedarf spezieller Pflege. Das Problem ist, dass die Bauern langfristige Entscheidungen treffen müssen, obwohl das Klima immer unberechenbarer wird. Zum Beispiel werden die Niederschlagsmuster zunehmend unregelmäßig: Es regnet weniger oft, aber wenn es regnet, dann intensiver. Das führt zu längeren Trockenperioden und extremeren Wetterereignissen, was den Pflanzen enormen Stress bereitet. Gleichzeitig haben viele Kakaobauern wenig finanzielle Mittel und müssen kurzfristig planen, was die Anpassung an den Klimawandel weltweit noch schwieriger macht.
Schokoinfo: Gibt es große Unterschiede in den klimatischen Veränderungen an den verschiedenen Kakao-Produktionsstandorten weltweit?
Dr. Bunn: Ja, die klimatischen Bedingungen unterscheiden sich stark je nach Region, auch wenn alle Anbaugebiete im sogenannten ‚Kakaogürtel‘, also entlang und nördlich und südlich des Äquators, liegen. In Westafrika zum Beispiel gibt es Regionen mit ausgeprägten Trockenzeiten, die fast schon in Savannengebiete übergehen. Im Gegensatz dazu haben wir in Zentralafrika und Indonesien Gebiete, in denen es kaum eine ausgeprägte Trockenzeit gibt. Zusätzlich gibt es Hochlandstandorte, wie in Peru, Ecuador oder Kolumbien, die kühler sind als die Tieflandstandorte in Westafrika. Diese Unterschiede bedeuten, dass wir Anpassungsstrategien entwickeln müssen, die genau auf die jeweilige Region abgestimmt sind.
Schokoinfo: Wie wirken sich diese klimatischen Veränderungen auf die Qualität der Kakaobohnen aus?
Dr. Bunn: Das Klima hat einen direkten Einfluss auf die Qualität der Kakaobohnen. Steigende Temperaturen können beispielsweise die Zusammensetzung der Lipide in den Bohnen verändern, was zu einer härteren Konsistenz führt. Auch die Aromastoffe können durch höhere Temperaturen weniger stark ausgeprägt sein. Diese Veränderungen sind allerdings nicht bei allen Kakaosorten gleich. Es gibt Genotypen, die weniger anfällig für Temperaturveränderungen sind. Daher kann die gezielte Auswahl von robusteren Sorten dazu beitragen, einige der negativen Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Auch das Wetter trägt zur Kakaogesundheit und zum Geschmack bei.
Bild 3 – Gesunde Kakaofrucht: reif, kurz vor der Ernte
Bild 4 – Geöffnete Kakaofrucht: So sieht eine einwandfreie Kakaopulpe (das Fruchtfleisch mit Samen) aus
Schokoinfo: Was ist mit den extremen Wetterbedingungen wie hohen Temperaturen und langen Dürreperioden?
Dr. Bunn: Hohe Temperaturen, besonders wenn sie mit Dürre kombiniert auftreten, stellen eine erhebliche Bedrohung für die empfindliche Kakaopflanze dar. Diese extremen Bedingungen verursachen Trockenstress, der die Pflanzen schwächt und ihre Überlebensfähigkeit gefährdet. Kakaopflanzen sind besonders empfindlich gegenüber Trockenheit, da sie konstante Feuchtigkeit benötigen, um gut zu gedeihen. Wenn die Pflanzen über längere Zeit trockenem Stress ausgesetzt sind, kann das zu Ertragsverlusten führen und in extremen Fällen sogar zum Absterben der Pflanzen. Man bräuchte idealerweise ein berechenbares Wetter, aber das wird es immer seltener geben.
Schokoinfo: Wie beeinflussen die Unsicherheiten bei den Niederschlagsmodellen die Planung von Anpassungsstrategien?
Dr. Bunn: Die Unsicherheiten bei den Niederschlagsmodellen sind ein großes Problem. Klimamodelle können oft keine präzisen Vorhersagen für spezifische Regionen liefern, insbesondere nicht für tropische Gebiete, in denen Kakao angebaut wird. Das erschwert die Planung von Anpassungsmaßnahmen erheblich. Es gibt Regionen, in denen einige Modelle eine Zunahme der Niederschläge prognostizieren, während andere Modelle eine Abnahme vorhersagen. Diese Unsicherheiten machen es schwer, fundierte Entscheidungen zu treffen, da wir nicht genau wissen, welche klimatischen Herausforderungen auf uns zukommen werden. Die Nutzung von satellitengestützten Wolkenbeobachtungen in Kombination mit Bodenstationen hat deutliche Verbesserungen in der Niederschlagsbeobachtung gebracht. Diese Methoden ermöglichen detailliertere Analysen und helfen, Probleme bei früheren Beobachtungen zu lösen. Allerdings bleiben Klimamodelle für zukünftige Projektionen weiterhin unzureichend.
Schokoinfo: Welche Veränderungen sind bei Schädlingen und Krankheiten aufgrund des Klimawandels zu erwarten?
Dr. Bunn: Der Klimawandel wird wahrscheinlich zu einer Zunahme von Schädlingen und Krankheiten führen, die den Kakaobestand bedrohen. Pflanzenkrankheiten sind oft flexibler und passen sich schneller an veränderte klimatische Bedingungen an als die Produzenten selbst. So können Krankheiten, die bisher gut kontrollierbar waren, plötzlich schwerwiegendere Schäden verursachen. Außerdem könnten neue Krankheiten auftreten, die bisher in den Anbaugebieten nicht vorkamen. Für die Bauern bedeutet das, dass sie sich auf neue Herausforderungen einstellen müssen, was oft zusätzliche Ressourcen erfordert.
Bild 5 – Baumpflege: Ein balinesischer Kakaobauer entfernt gestresste, abgestorbene Kakaofrüchte
Schokoinfo: Welche Anpassungsstrategien haben sich bisher als effektiv erwiesen?
Dr. Bunn: Es gibt keine Universallösung, aber einige Ansätze haben sich als besonders vielversprechend erwiesen. In Gebieten, in denen der Kakaoanbau langfristig gefährdet ist, könnte es sinnvoll sein, auf andere Kulturen wie Cashew oder Teak umzusteigen, die besser an Hitze und Trockenheit angepasst sind. In Regionen, in denen der Kakaoanbau weiterhin möglich ist, konzentrieren sich die Anpassungsstrategien auf die Intensivierung des Anbaus, das Management von Pflanzenkrankheiten und die Verbesserung der Bodengesundheit. Wassermanagement und die Pflanzung von Schattenbäumen sind weitere Maßnahmen, die helfen können, die Pflanzen vor extremen Wetterbedingungen zu schützen. Auch Agroforst ist hier ein Thema, allerdings ist dies komplex und Bedarf spezieller Expertise.
Bild 6 – Agroforst als gute Option für den Kakaoanbau: Kakaobaum im Wald
Schokoinfo: Neben diesen akuten Problemen, welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft der Klimaanpassung im Kakaosektor?
Dr. Bunn: Eine der größten Herausforderungen ist die langfristige Finanzierung und das kontinuierliche Interesse an der Forschung. Die Anpassung an den Klimawandel erfordert langjährige Feldexperimente und eine enge Zusammenarbeit mit den Bauern. Oft sind die Finanzierungszyklen für solche Projekte jedoch zu kurz, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Ein weiteres Problem ist, dass viele bestehende Daten immer wieder neu aufbereitet werden, anstatt wirklich tiefgehende, langfristige Experimente durchzuführen. Es fehlt oft an den notwendigen Mitteln, um relevante Fragen umfassend zu beantworten, insbesondere wenn es um die langfristige Beobachtung von Bodengesundheit und die Toleranz gegenüber klimatischen Extremereignissen geht. Wir brauchen mehr und längerfristige Feldforschung mit neuester Technologie nach dem aktuellsten Stand des Wissens.
Schokoinfo: Kann man bereits sagen, welche Regionen Gewinner und welche Verlierer des Klimawandels im Kakaosektor sein werden?
Dr. Bunn: Es ist noch zu früh, um klar zu sagen, welche Regionen Gewinner oder Verlierer des Klimawandels im Kakaosektor sein werden. Die Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Niederschlagsverteilungen sind einfach zu groß. Zwar könnten sich einige Anbauflächen in bestimmte Gebiete verlagern, aber es gibt keine Garantie dafür, dass bestimmte Länder oder Regionen eindeutig profitieren werden. Der Erfolg wird mehr davon abhängen, wie flexibel und innovativ die verschiedenen Akteure auf die Veränderungen reagieren. Diejenigen, die in der Lage sind, alte Gewissheiten loszulassen und ein agiles, risikobasiertes Management zu implementieren, könnten besser auf die Herausforderungen reagieren. Insgesamt wird es weniger um geografische Gewinner oder Verlierer gehen, sondern darum, wie gut man in der Lage ist, Risiken zu antizipieren und entsprechend zu handeln.
Bild 7: Gewinner und Verlierer unklar: Kakao anbauende Länder im Kakaogürtel, mehr Infos dazu hier
Schokoinfo: Wie würden Sie die Problematik zusammenfassen?
Dr. Bunn: Die Anpassung an den Klimawandel ist eine der zentralen Herausforderungen des Kakaosektors. Kakao als Dauerkultur erfordert langfristige Investitionen und Entscheidungen, die jedoch oft im Widerspruch zu den kurzfristigen ökonomischen Realitäten der Kleinbauern stehen. Die Unsicherheiten in den Niederschlagsmodellen und die unklaren klimatischen Entwicklungen machen es besonders schwierig, verlässliche Anpassungsstrategien zu entwickeln.
Hinzu kommt die Bedrohung durch neue und verstärkte Krankheiten und Schädlinge, die durch den Klimawandel begünstigt werden. Diese Veränderungen erfordern flexible und innovative Ansätze, um die Produktion unter zunehmend unsicheren Bedingungen aufrechtzuerhalten. Während es nicht möglich ist, klare „Climate-Winner“ und „Climate-Loser“ Regionen zu identifizieren, wird der Erfolg im Kakaosektor davon abhängen, wie gut wir Risiken antizipieren und darauf reagieren können.
Die größte Herausforderung, der wir uns stellen müssen, ist die langfristige Kontinuität in der Forschung, Finanzierung und Wissenstransfer in einem zunehmend riskanten Sektor. Ohne diese Kontinuität wird es schwierig sein, die dringend benötigten nachhaltigen Lösungen für den Kakaosektor zu entwickeln und umzusetzen.
Schokoinfo: Vielen Dank für dieses Gespräch Dr. Bunn!