„Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit: 10 Jahre Kakaoforum“

Im Jahr 2012, also vor zehn Jahren, wurde in Berlin das Forum Nachhaltiger Kakao gegründet. Die sogenannte Multi-Akteurs-Plattform bringt die verschiedenen Anspruchsgruppen wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels von Unternehmen aus der Kakao- und Schokoladenindustrie sowie Nichtregierungs- und standardsetzende Organisationen an einen Tisch. Sie alle eint das Ziel, den Kakaoanbau nachhaltiger zu gestalten und das Wissen, dass es dafür das Zusammenwirken aller an der Lieferkette Beteiligten bedarf. Merit Buama, Managerin Kakaoprogramme bei der Alfred Ritter GmbH und Co. KG, ist seit rund einem Jahr die Vorsitzende des eingetragenen Vereins. In dieser Funktion gehört es zu ihren Aufgaben, den Schulterschluss der 80 Mitglieder zu fördern und gleichzeitig auch die europäische Zusammenarbeit zu stärken.

Schokoinfo.de: Seit 10 Jahren arbeitet das Kakaoforum für mehr Nachhaltigkeit im Kakaosektor. Wie fällt Ihr Fazit der ersten Dekade aus? Welches sind die Meilensteine?
Merit Buama: Mein übergeordnetes Fazit lautet: Wir haben es geschafft, die unterschiedlichen Akteure an einen Tisch zu bringen und vor allem, und das ist der schwere Teil, alle zusammen am Tisch zu halten. Hinter uns liegen schwierige Themen und doch ist es gelungen, das Kakaoforum als Plattform erfolgreich zu etablieren. Das Kakaoforum war das erste seiner Art und damit auch Pionier. Uns und mir ist aber sehr bewusst, dass die Arbeit erst jetzt richtig losgeht.
Es ist uns in den vergangenen zehn Jahren gelungen, eine stabile Mitgliedsbasis aufzubauen, die bereit ist, sich für mehr Nachhaltigkeit im Kakaosektor einzusetzen. Und zwar aus den unterschiedlichen Perspektiven von der Politik, der Zivilgesellschaft, dem Handel bis zu den Unternehmen, von den kleinen und mittelständischen bis zu den großen.
Nun zu den Meilensteinen. Wir haben viele erreicht. Aus der jüngeren Vergangenheit ist die gemeinsame Zielsetzung mit ihren 12 Zielen aus dem Jahr 2019 ein wichtiger Schritt gewesen. Zu dieser zählt unter anderem: bessere Lebensumstände und mehr Einkommen für die Kakaobäuerinnen und -bauern und deren Familien, den Schutz der natürlichen Ressourcen sowie eine nachhaltige Produktion des Kakaos, ohne Kinderarbeit und Entwaldung. Zu diesen Zielen bekennen sich alle unsere Mitglieder.
Wir haben außerdem ein verpflichtendes Berichtssystem aufgebaut und alle Mitglieder haben sich darüber hinaus erst im Mai 2022 zu individuellen Roadmaps verpflichtet, die die jeweiligen Fortschritte auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit transparent und öffentlich machen. Diese zeigen: So sieht der deutsche Beitrag für einen nachhaltigeren Kakaosektor aus.
Ich möchte außerdem noch die zunehmende internationale Vernetzung mit anderen Kakaoforen in Europa hervorheben. Das ist eine wichtige Entwicklung.

Schokoinfo.de: Was hat Sie dazu bewogen, sich für den Vorsitz des Kakaoforums zu bewerben?
Merit Buama: Ich brenne für das Thema Nachhaltigkeit im Kakaosektor. Durch meinen Werdegang bringe ich viel Hintergrundwissen mit. Ich habe lange in Westafrika gelebt und dort in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet. Aus dieser Zeit kenne ich auch die verschiedenen Perspektiven und Anforderungen aus Wirtschaft, staatlichen Organisationen, Zivilgesellschaft und den Menschen vor Ort. Wir haben es mit komplexen Dialogprozessen zu tun. Diese voranzutreiben und sicherzustellen, dass alle auf dem gemeinsamen Weg bleiben, ist herausfordernd und erfordert immer wieder einen Perspektivwechsel, um die verschiedenen Positionen zu verstehen und zusammenzuführen.
Darüber hinaus bin ich Mitte 30. Ich habe ein Interesse daran, dass auch zukünftige Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden. Kinder von Familien, die Kakao anbauen, sollen in die Schule gehen, Kakao sollte so umweltschonend wie möglich angebaut werden und wir alle müssen gemeinsam gegen den Klimawandel arbeiten.

Schokoinfo.de: Was ist das Besondere an der Arbeit im Kakaoforum?
Merit Buama: Die Vielfalt der Perspektiven, Positionen und unterschiedlichen Konzepte so zusammenzubringen, dass wir am Ende gemeinsam eine gute Lösung für mehr Nachhaltigkeit erzielen können.

 

Merit Buama (c) Kakaoforum 2022

Merit Buama, Vorsitzende des Forums Nachhaltiger Kakao (c) Kakaoforum 2022

Schokoinfo.de: Die Mitglieder des Kakaoforums haben sich auf drei übergeordnete und zwölf konkrete Einzelziele für mehr Nachhaltigkeit verständigt. Drückt die Vielzahl der Ziele die Vielschichtigkeit der Probleme aus?
Merit Buama: Ja klar. In den verabschiedeten Zielsetzungen werden alle Probleme konkret adressiert. Sie spiegeln auch die Schwerpunkte der einzelnen Akteursgruppen und Mitglieder wider.

Schokoinfo.de: Der Anteil an nach Nachhaltigkeitsstandards, wie Fairtrade oder Rainforest Alliance, zertifiziertem oder unabhängig verifiziertem Kakao steigt in Deutschland seit Jahren an. Das freiwillige Engagement von Industrie und Handel ist ein Erfolg. Wann ist der Kakaosektor nachhaltig? Welche Ziele müssten dafür noch erreicht werden?
Merit Buama: Der Kakaosektor ist dann nachhaltig, wenn die Familien, die Kakao anbauen, davon leben können, die Kinder die Schule besuchen, eine stabile Infrastruktur vor Ort besteht, sich umweltfreundliche Anbaupraktiken durchgesetzt haben und die anbauenden Familien unterschiedliche stabile und gleichsam wesentliche Einkommensquellen neben dem Kakao haben, Kakao also als ein Pfeiler zum Einkommen beiträgt und nicht alleinige Einkommensquelle ist wie momentan noch in vielen Fällen.
Es gehören aber auch transparente und stabile Lieferketten dazu. Und am Ende der Kette muss Schokolade als Produkt gewürdigt werden und die Wertschätzung erfahren, die sie verdient. In jeder Schokolade stecken viele aufwendige Arbeitsschritte sowohl rund um den Kakaogürtel als auch in der Weiterverarbeitung, Produktion und dem Verkauf zum Beispiel in Deutschland.

Schokoinfo.de: Ab dem kommenden Jahr gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Dann treten in Ergänzung zur freiwilligen Zertifizierung gesetzlichen Verpflichtungen in Kraft. Hilft das bei der Arbeit im Kakaoforum?
Merit Buama: Grundsätzlich hilft das neue Gesetz schon. Allerdings sind die im Kakaoforum organisierten Unternehmen im Schnitt ohnehin schon weiter als die Industrie insgesamt. Der Anteil von nach Nachhaltigkeitsstandards zertifiziertem oder unabhängig verifiziertem Kakao in den in Deutschland verkauften Süßwaren beträgt bei den Mitgliedsunternehmen bereits 84 Prozent.
Wir wissen alle aber, dass Zertifizierung allein nicht ausreicht. Das Gesetz verpflichtet nun Unternehmen dazu, menschenrechtliche Risiken in der Lieferkette zu identifizieren, sowie u.a. Präventions- und Abhilfemaßnahmen umzusetzen. Dazu gehört natürlich zum Beispiel die Kinderarbeit.

Ein Schokoladen-Weihnachtsmann

Projekt PRO PLANTEURS, (c) Kakaoforum 2022

Schokoinfo.de: Warum ist die europäische Vernetzung mit anderen Initiativen zum Beispiel in der Schweiz und in Belgien so wichtig?
Merit Buama: Das hat mehrere Gründe. Erstens sind viele unserer Mitglieder auch international unterwegs, so ergeben sich Synergien. Zweitens können wir Nachhaltigkeit im Kakaoanbau nur dann erreichen, wenn so viele wie möglich mitarbeiten und drittens können die Kakaoforen auch gegenüber Akteuren wie der EU oder Regierungen der Anbauländer gegenüber geschlossener auftreten. Wobei ich dazu sagen muss, dass wir kein politischer Akteur sind.

Schokoinfo.de: Das Kakaoforum engagiert sich auch direkt vor Ort in Westafrika mit dem Projekt Pro-Planteurs in der Côte d’Ivoire. Was sind die Ziele des Projekts?
Merit Buama: Durch unser Projekt PRO-PLANTEURS können wir direkt vor Ort sehr in die Tiefe gehen und Entwicklungen erarbeiten. Ziel des Projekts ist es, die Lebensbedingungen der angeschlossenen Farmer und Kooperativen zu verbessern, und zwar in Richtung eines existenzsichernden Einkommens. Dieses gemeinsame Projekt des Forums – viele unserer Mitglieder finanzieren das Projekt mit – mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Conseil du Café-Cacao (CCC) und umgesetzt durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) geht in sein achtes Jahr. Ich selbst war diesen Mai vor Ort und es war beeindruckend zu erleben, wie professionell die Kooperativen inzwischen aufgestellt sind. Das zeigt: Der Ansatz des Projektes ist richtig und gibt auch uns die Möglichkeit, viel zu lernen.

Schokoinfo.de: Derzeit liegt der Fokus der Arbeit in Ghana und der Côte d’Ivoire. Ist eine Ausdehnung auch auf andere kakaoproduzierende Länder in Afrika oder Lateinamerika denkbar?
Merit Buama: Der Fokus liegt eigentlich sogar auf der Côte d‘Ivoire. Ghana ist als weiteres wichtiges Land hinzugenommen worden. Beide Länder haben für den deutschen Markt eine große Bedeutung, daher konzentrieren wir uns auf diese.

Schokoinfo.de: Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wo soll der Kakaosektor in 10 Jahren, also im Jahr 2032, stehen?
Merit Buama: Ich wünsche mir, dass wir dann wettbewerbsfähige, umweltfreundlich produzierende Betriebe im Kakaoanbau haben und für die Farmer, für die sich der Kakaoanbau nicht lohnt, Alternativen bestehen, von denen sie gut leben können.
Und ich wünsche mir, dass das Thema missbräuchliche Kinderarbeit erledigt ist und wir auch nicht mehr über Entwaldung sprechen müssen.

Schokoinfo.de: Liebe Frau Buama, vielen herzlichen Dank für das ausführliche Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit für das Kakaoforum.

Ein Schokoladen-Weihnachtsmann

(c) Kakaoforum 2022